Seit dem 03.12.2011 besteht die Möglichkeit eine sog. Verzögerungsrüge bei überlangen Gerichtsverfahren einzulegen. Die Neuregelung gilt für alle anhängigen Gerichtsverfahren und ist damit ab sofort in höchstem Maße praxisrelevant.
Mit dem Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren wurde § 155 der Finanzgerichtsordnung geändert. Danach gelten die ebenfalls geänderten Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes für Finanzgerichtsverfahren entsprechend (vgl. §§ 198 ff. GVG n.F.). Mit dem neuen Gesetz sollen die Anforderungen des Grundgesetzes als auch denen der Europäischen Menschenrechtskonvention umgesetzt werden. Denn ein gerichtlicher Rechtsschutz ist danach nur dann effektiv, wenn er nicht zu spät kommt.
Inwieweit die neue Verzögerungsrüge in der Praxis Anwendung finden wird bleibt abzuwarten. Zwar dauern bereits 15% aller Verfahren vor dem Finanzgericht länger als 36 Monate, jedoch beruht eine Verzögerung häufig nicht auf dem Verhalten einer Seite allein. Auch das Verhalten des Verteidigers bzw. der Prozessbevollmächtigten wird bei der Frage, ob ein Verfahren bereits unangemessen lang dauert zu beantworten sein.
Bestehen Überlegungen für eine Verzögerungsrüge, so sollte diese so frühzeitig als möglich bereits im Finanzprozess eingelegt werden, da nur dann zu einem späteren Zeitpunkt über eine Entschädigung entschieden werden kann. Bei der Höhe der Entschädigung ist zwischen materiellen und immateriellen Schäden zu unterscheiden.
Materielle Schäden sind im Einzelfall nachzuweisen. Es ist darzulegen, weshalb eine „Vermögenseinbuße auf einer relevanten Verfahrensverzögerung durch das Gericht beruht“ (sog. Kausalität). Ferner gilt einschränkend ein entgangener Gewinn nicht als entschädigungsfähig.
Immaterielle Schäden hingegen werden grundsätzlich pauschal mit 1.200 Euro pro Jahr der Verzögerung entschädigt.
Quelle: Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (BGBl. I 2011, S. 2302)